Mittwoch, 19. November 2025

Maßregelungsverbot in Kleinbetrieben

Das Kündigungsschutzgesetz (§ 23 Abs. 1 KSchG), welches die soziale Rechtfertigung einer Kündigung verlangt, findet in Kleinbetrieben (mit i.d.R. nicht mehr als zehn Arbeitnehmern) keine Anwendung. Eine Kündigung ist dort daher grundsätzlich frei möglich, solange sie nicht gegen andere gesetzliche Verbote verstößt.

Genau hier greift das Maßregelungsverbot des § 612a BGB:

  • Es besagt, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme (wie einer Kündigung nicht benachteiligen darf, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.

  • Die Norm erfasst einen Sonderfall der Sittenwidrigkeit und dient dem Schutz der Willensfreiheit des Arbeitnehmers, seine Rechte auszuüben.

Die zentrale Frage: Motivationsprüfung

Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot liegt vor, wenn die zulässige Rechtsausübung der tragende Beweggrund – das wesentliche Motiv – für die benachteiligende Maßnahme (die Kündigung) ist.

  • Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet.

  • Handelt der Arbeitgeber aufgrund mehrerer Motive, muss auf das wesentliche Motiv abgestellt werden.

Abgrenzung zur Krankmeldung (Ein häufiger Anwendungsfall)

Ein häufiger Streitpunkt, der auch in Kleinbetrieben relevant ist, ist die Kündigung aus Anlass einer Krankmeldung. Hier muss klar unterschieden werden:

FallWesentliches MotivZulässigkeit
Unzulässige MaßregelungDie Sanktionierung des zulässigen Fernbleibens von der Arbeit (z.B. weil der Arbeitnehmer sein Recht auf Entgeltfortzahlung geltend gemacht hat).

Unzulässig. Die Kündigung ist wegen Verstoßes gegen § 612a BGB i.V.m. § 134 BGB nichtig.

Zulässige Kündigung

Das Vorbeugen von zukünftigen Störungen der Betriebsablaufstörungen, die durch weitere krankheitsbedingte Ausfälle erwartet werden.

ZulässigHier fehlt es an einem unlauteren Motiv, da die Kündigung in einem Kleinbetrieb lediglich einen sachlichen Grund erfordert und dieser Maßstab weniger streng ist als im Geltungsbereich des KSchG.

Beispiel: Kündigt der Arbeitgeber, weil er zukünftige Störungen der Einsatzplanung und erneute Unannehmlichkeiten für Kunden vermeiden möchte, wird die Krankmeldung zwar als äußerer Anlass, aber nicht als tragender Beweggrund betrachtet.

Die Rechtsfolge bei Verstoß

Ist das wesentliche Motiv die unzulässige Maßregelung der Rechtsausübung, ist die Kündigung nichtig wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB).

Dein Recht im Job: Das Maßregelungsverbot (§ 612a BGB)

Der Arbeitsalltag bringt es mit sich, dass Arbeitnehmer ihre Rechte gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen müssen – sei es die Forderung nach Überstundenvergütung oder das Einlegen eines Widerspruchs. Doch was, wenn diese legitime Rechtsausübung zu negativen Konsequenzen führt? Hier kommt das unscheinbare, aber mächtige Maßregelungsverbot des § 612a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ins Spiel.

Was genau ist das Maßregelungsverbot?

Das Gesetz formuliert es klar und knapp:

"Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt."

Ziel dieser Vorschrift ist es, zu verhindern, dass Arbeitnehmer aus Angst vor Nachteilen darauf verzichten, ihre Rechte wahrzunehmen. Es bietet einen umfassenden Schutz als allgemeines Maßregelungsverbot.

Wer ist geschützt?

Der Schutz des § 612a BGB gilt für alle Arbeitnehmer, einschließlich leitender Angestellter und Auszubildender.

Was gilt als "zulässige Rechtsausübung"?

Geschützt ist jede Form der Ausübung tatsächlich bestehender Rechte, solange sie in zulässiger Weiseerfolgt. Die Bandbreite ist groß und umfasst:

  • Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage.

  • Die Geltendmachung von Ansprüchen auf Entgeltfortzahlung oder Überstundenvergütung.

  • Die Ausübung von Grundrechten (z. B. Art. 5 GG).

  • Die Teilnahme an einem Streik oder die Gewerkschaftstätigkeit.

  • Die Ablehnung einer mindestlohnwidrigen Vertragsänderung.

  • Auch die klageweise Geltendmachung von Rechten ist zulässig, sofern sie nicht mutwillig erfolgt.

Was ist eine unzulässige Benachteiligung?

Eine Benachteiligung ist jede im Einzelfall bewirkte Schlechterstellung des Arbeitnehmers. Dies kann erfolgen durch:

  • Maßnahmen des Arbeitgebers, wie Weisungen, Kündigungen oder die Gewährung von Leistungen.

  • Vereinbarungen, z. B. in Form von Betriebsvereinbarungen oder Sozialplänen.

Beispiele für eine Benachteiligung sind:

  • Der Entzug oder das Vorenthalten von Zuwendungen und ähnlichen Vorteilen.

  • Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

  • Das Vorenthalten eines unbefristeten Folgearbeitsvertrages.

  • Die Unterlassung von Überstundenzuweisungen.

Wichtig: Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Beweggrund – also das wesentliche Motiv – für die benachteiligende Maßnahme gewesen sein. Liegt ein sachlicher Grund vor oder orientiert sich der Arbeitgeber an der Rechtsordnung, scheidet eine unzulässige Benachteiligung aus.

Was passiert bei einem Verstoß?

Die Konsequenzen bei einem Verstoß gegen das Maßregelungsverbot sind erheblich:

  • Der Arbeitnehmer wird so gestellt, als sei die Benachteiligung nicht erfolgt.

  • Willenserklärungen des Arbeitgebers, wie eine Kündigung, sind nach § 134 BGB nichtig.

  • Bei vorenthaltenen Leistungen kann § 612a BGB anspruchsbegründend wirken.

  • Bei schuldhaftem Verhalten kann ein Anspruch auf Schadensersatz (z.B. nach § 280 I oder § 823 II BGB) bestehen, da § 612a BGB ein Schutzgesetz ist.

Fazit für Arbeitnehmer

Das Maßregelungsverbot ist ein zentrales Instrument zur Sicherung deiner Rechte im Arbeitsverhältnis. Es ermutigt den Arbeitnehmer, seine Ansprüche geltend zu machen, ohne Repressalien fürchten zu müssen.

Dienstag, 18. November 2025

Videoüberwachung im Mehrfamilienhaus: Die kurze Rechtslage

Die zentrale Frage: Ist Videoüberwachung in Mehrfamilienhäusern zum Schutz vor Einbruch und Vandalismus erlaubt?

Die klare Antwort: Nein, nicht gegen den Willen aller Beteiligten.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mieter, Miteigentümer und Nachbarn hat in Deutschland hohe Priorität und wiegt oft schwerer als das Sicherheitsinteresse Einzelner.

Was ist im Wesentlichen verboten?

  • Überwachung ohne Zustimmung: Kameras in Gemeinschaftsbereichen (Treppenhaus, Hausflur, Eingangsbereich, Tiefgarage) sind nur mit der Zustimmung aller Bewohner zulässig. Schon ein einziger Widerspruch verbietet die Installation.

  • Verdeckte Kameras/Digitale Türspione: Die heimliche Überwachung oder der Einsatz digitaler Türspione, die den Hausflur erfassen, stellen einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre dar und sind unzulässig, auch wenn keine Speicherung erfolgt.

  • Überwachung von Nachbargrundstücken: Kameras müssen so eingestellt werden, dass sie kein Nachbargrundstück erfassen oder darauf geschwenkt werden können, da dies bereits einen unzulässigen "Überwachungsdruck" erzeugt.

  • Prävention als alleiniger Grund: Das Argument des Präventivschutzes (z. B. gegen Vandalismus) reicht in der Regel nicht aus, um die Persönlichkeitsrechte zu überstimmen. Gerichte fordern meist mildere Mittel (z. B. Hausmeisterkontrollen, Attrappen).

  • Attrappen: Selbst die Installation einer Kamera-Attrappe kann als unzulässige Androhung der Überwachunggewertet werden.

Was ist unter strengen Bedingungen erlaubt?

  • Sehr eingeschränkte Überwachung: Kameras am Hauseingang können zulässig sein, wenn sie nur kurz nach dem Klingeln aktiviert werden und die Bilder nur in die jeweilige Wohnung übertragen werden (keine Speicherung).

  • Eigene Fläche: Die Überwachung der eigenen Gartenfläche ist erlaubt.

Fazit: Der Einsatz von Videoüberwachung in gemeinsam genutzten Bereichen von Mehrfamilienhäusern erfordert höchste rechtliche Vorsicht. Die Gerichte favorisieren in der Regel den Schutz der Privatsphäre.