Zwei wichtige BGH-Urteile klären Fragen zu Schadensersatz und Härtefällen
Die Eigenbedarfskündigung ist eine der häufigsten Ursachen für Rechtsstreitigkeiten zwischen Mietern und Vermietern. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in jüngerer Vergangenheit zwei entscheidende Urteile gefällt, die Klarheit in zwei zentrale Bereiche bringen: die Beweislast bei vorgetäuschtem Eigenbedarf und die Kriterien für einen Härtefall bei älteren Mietern.
Teil 1: Schadensersatz bei vorgetäuschtem Eigenbedarf (BGH, VIII ZR 368/03)
Was passiert, wenn der Vermieter Eigenbedarf anmeldet, der Mieter auszieht, der Vermieter die Wohnung aber gar nicht selbst nutzt? In solchen Fällen des sogenannten vorgetäuschten Eigenbedarfs steht dem Mieter ein Schadensersatzanspruch zu. Doch wer muss beweisen, dass der Eigenbedarf von Anfang an nur eine Lüge war?
Die Beweislast liegt grundsätzlich beim Mieter
Der BGH stellte klar: Im Schadensersatzprozess ist der Mieter in der Beweislast. Er muss beweisen, dass der Vermieter den Willen zur Selbstnutzung bereits bei Ausspruch der Kündigung nicht hatte (eine sogenannte negative Tatsache). Dies folgt dem allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatz, dass die Partei die Tatsachen beweisen muss, die ihr Rechte verschaffen.
Die "Sekundäre Darlegungslast" des Vermieters
Allerdings wird dem Mieter der Beweis des fehlenden inneren Willens des Vermieters erleichtert:
Der Verdacht: Wird der geltend gemachte Eigenbedarf nach dem Auszug des Mieters nicht oder erst sehr spät realisiert (z. B. durch Neuvermietung oder eine sehr lange Sanierungsdauer), liegt der Verdacht nahe, dass der Eigenbedarf nur vorgeschoben war.
Die Pflicht des Vermieters: In solchen Fällen trifft den Vermieter eine sekundäre Darlegungslast. Er muss dann substantiiert und plausibel ("stimmig") darlegen, warum sein ursprünglicher Nutzungswille nachträglich weggefallen ist.
Kein Freifahrtschein durch Sanierung: Eine längere Sanierungsdauer nach dem Auszug macht die Kündigung nicht per se unwirksam. Das Eigentumsrecht (Art. 14 GG) erlaubt es dem Vermieter, die Wohnung nach seinen Vorstellungen umzugestalten, auch wenn das länger dauert. Die Dauer der Sanierung kann aber im Rahmen der Beweiswürdigung ein Indiz für eine von Anfang an fehlende Nutzungsabsicht sein.
Fazit BGH VIII ZR 368/03: Der Mieter muss den vorgetäuschten Eigenbedarf beweisen, aber der Vermieter muss schlüssig erklären, warum sein Bedarfswille nach der Kündigung wegfiel, andernfalls wird der Verdacht des Mieters gestärkt.
Teil 2: Härtefall bei hohem Alter (BGH, VIII ZR 68/19)
Mieter können einer Eigenbedarfskündigung widersprechen, wenn der Auszug für sie eine nicht zu rechtfertigende Härte bedeuten würde (§574 BGB). Häufig wird dabei das hohe Alter des Mieters als zentraler Härtegrund angeführt.
Hohes Alter allein ist kein Härtefall
Der BGH stellte klar: Das hohe Alter eines Mieters allein begründet grundsätzlich noch keine Härte im Sinne des §574 Abs. 1 BGB, die die Kündigung unwirksam macht. Das Gericht kritisiert die Tendenz einiger Vorinstanzen, älteren Mietern generell Vorrang vor dem berechtigten Interesse des Vermieters einzuräumen.
Entscheidend ist die Gesamtabwägung im Einzelfall
Für die Annahme eines Härtefalls sind stets die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgeblich:
Gesundheitliche Folgen: Eine Härte liegt nur dann vor, wenn zu dem hohen Alter weitere Umstände, wie konkrete gesundheitliche Beeinträchtigungen, hinzukommen, die bei einem erzwungenen Umzug eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes erwarten lassen. Hierfür sind in der Regel fundierte Feststellungen, oft durch Sachverständigengutachten, erforderlich. Einfache ärztliche Atteste genügen meist nicht.
Soziale Verwurzelung: Eine lange Mietdauer allein reicht ebenfalls nicht aus. Es muss eine tiefe soziale Verwurzelung in der gewohnten Umgebung nachgewiesen werden, zum Beispiel durch die Pflege sozialer Kontakte, die Nutzung lokaler Infrastruktur oder die Inanspruchnahme medizinischer/kultureller Angebote in der Nähe.
Abwägung der Interessen: Schließlich muss eine umfassende Abwägung zwischen den Interessen des Mieters (Bestandsschutz, Härte) und den berechtigten Interessen des Vermieters (Nutzung der eigenen Immobilie) stattfinden. Dabei ist es unzulässig, bestimmten Belangen (z. B. dem Alter) von vornherein ein größeres Gewicht beizumessen als anderen.
Fazit BGH VIII ZR 68/19: Ältere Mieter werden nicht automatisch durch §574 BGB geschützt. Sie müssen vielmehr konkret darlegen und beweisen, welche gesundheitlichen oder sozialen Folgen ein Umzug für sie hätte, die über die typischen Unannehmlichkeiten eines Wohnungswechsels hinausgehen.
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