Stand: 14. November 2025
Heute ist ein entscheidender Tag für Millionen von Immobilienbesitzern und Mietern in Deutschland. Der Bundesfinanzhof (BFH) in München, das oberste deutsche Steuergericht, nimmt sich ab sofort der Klagen gegen die neue Grundsteuer an. Es geht um die Regelungen im sogenannten Bundesmodell, das von 11 Bundesländern angewendet wird, darunter Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Berlin.
Das Urteil, das in den kommenden Wochen erwartet wird, wird eine Signalwirkung für die gesamte Grundsteuer-Reform haben.
Warum der Aufruhr? Die Kritik am Bundesmodell
Über 2.000 Grundstückseigentümer haben bereits gegen die neue Grundsteuer geklagt, Zehntausende legten Einspruch ein. Ihr zentraler Vorwurf: Die neue Bewertung führe zu einer überhöhten Belastung und einer unrealistisch hohen Bewertung ihres Eigentums.
Dieser Streit ist brisant, da die Grundsteuer über die Nebenkostenabrechnung nicht nur Eigentümer, sondern auch Mieterdirekt betrifft. Sie ist zudem eine wichtige Einnahmequelle für die Gemeinden, die damit ihre Haushalte aufbessern.
Der Kern des Problems
Die Kläger und ihre Unterstützer, wie der Verband Haus und Grund oder der Bund der Steuerzahler, sehen in der aktuellen Regelung eine übermäßige und potenziell verfassungswidrige Belastung.
Vor dem BFH geht es nun primär um die Frage, ob die pauschalierte Bewertung der Grundstücke im Bundesmodell so weit von der Realität entfernt ist, dass sie gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt.
Wie es zur Grundsteuer-Reform kam
Die gesamte Reform wurde notwendig, weil das Bundesverfassungsgericht 2018 das alte Grundsteuerrecht für verfassungswidrig erklärte. Die damaligen Grundstückswerte im Westen stammten noch von 1964 und im Osten sogar von 1935 – völlig fernab der tatsächlichen Entwicklung.
Der Bund erarbeitete daraufhin ein neues Gesetz, das jedoch mit einer Öffnungsklausel versehen wurde. Daher wenden neben dem Bundesmodell auch Bundesländer wie Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Hamburg und Niedersachsen eigene Grundsteuermodelle an. Die Verhandlung in München konzentriert sich jedoch nur auf das Bundesmodell.
Die Komplexität des Bundesmodells
Der Gesetzgeber stand vor der Mammutaufgabe, 36 Millionen Grundstücke neu zu bewerten. Um dies in einem Massenverfahren zu ermöglichen, sind Pauschalierungen erlaubt. Das ist das Dilemma: Obwohl dem Gesetzgeber bewusst war, dass nicht jedes Grundstück zu 100 Prozent richtig erfasst werden kann, mussten praktikable Kriterien her.
Ein zentrales Kriterium im Bundesmodell ist das sogenannte pauschalierte Ertragswertverfahren für Wohngebäude. Es berücksichtigt:
Gebäudetyp (z.B. Einfamilienhaus, Mietwohngrundstück)
Alter (in fünf Kategorien)
Eine statistisch ermittelte Nettokaltmiete, die angepasst werden muss.
Zu- und Abschläge für ländliche oder städtische Gebiete.
Was passiert als Nächstes? Die mögliche Entscheidung des BFH
Die Finanzgerichte haben bereits zahlreiche anhängige Verfahren bis zur Entscheidung des BFH ausgesetzt. Die Urteilsverkündung in München wird voraussichtlich am 10. Dezember erfolgen.
Es gibt zwei Hauptszenarien:
Das Gesetz ist verfassungsgemäß: Hält der BFH die Regelung für verfassungsgemäß, wird er ein Urteil sprechen. Unzufriedene Kläger können dann nur noch vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde einlegen.
Verfassungsrechtliche Bedenken: Stellt der BFH selbst verfassungsrechtliche Bedenken fest, kann er das Gesetz nicht für ungültig erklären (das ist nur Sache des Bundesverfassungsgerichts). Er wird dann das Verfahren aussetzen und dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zur Entscheidung vorlegen.
Eines ist klar: Der Streit um die neue Grundsteuer ist mit der heutigen Verhandlung zwar in eine heiße Phase eingetreten, aber er ist noch lange nicht ausgestanden.
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