Mittwoch, 12. November 2025

Kindesunterhalt: Rückzahlung wegen verletzter Informationspflicht? Ein Urteil mit wichtiger Signalwirkung

Der Kindesunterhalt für volljährige Kinder, die sich noch in Ausbildung befinden, ist für viele Eltern ein zentrales Thema. Doch was passiert, wenn das Kind die Ausbildung beendet und gut verdient, die Unterhaltszahlungen aber weiterlaufen? Eine aktuelle Entscheidung des Amtsgerichts Frankenthal beleuchtet die Grenzen der Informationspflicht des Kindes und die Eigenverantwortung der Eltern.

Der Fall: Verschwiegene Einkünfte und überzahlter Unterhalt

Im Zentrum des Falls stand ein volljähriger Sohn, der aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs monatlich 385 € Kindesunterhalt von seinem Vater erhielt.

  • Der Sohn schloss sein Master-Studium im Mai 2021 erfolgreich ab.

  • Er begann ein Promotionsstudium und eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter.

  • Sein monatliches Nettoeinkommen betrug mindestens 1.800 €.

  • Der Sohn informierte seinen Vater nicht über den Abschluss oder seine Einkünfte.

Der Vater erfuhr erst im Januar 2025 zufällig über LinkedIn von der Erwerbstätigkeit des Sohnes und forderte die überzahlten Beträge zurück.

Die Entscheidung: Schadensersatz wegen Sittenwidrigkeit

Das Amtsgericht Frankenthal sprach dem Vater einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 7.315 € zu, basierend auf vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB).

  • Pflicht zur ungefragten Information: Das Gericht stellte fest, dass der Sohn aufgrund seines hohen Einkommens – welches den Unterhaltsbedarf um mindestens das Doppelte überstieg – ab Juni 2021 evident zur ungefragten Information über die veränderten Verhältnisse verpflichtet gewesen wäre.

  • Sittenwidriges Verhalten: Das bewusste Weiterentgegennehmen der Zahlungen bei gleichzeitiger Verschweigung der Bedarfsdeckung wurde als sittenwidrig gewertet.

Wichtige Einschränkung: Der Anspruch wurde auf die Zahlungen bis Ende 2022 begrenzt.

Die Obliegenheit der Eltern zur Eigen-Erkundigung

Hier liegt die entscheidende Nuance des Urteils:

Das Gericht argumentierte, dass sich dem Vater nach Ablauf der mutmaßlichen Regelstudienzeit (drei Jahre Bachelor, zwei Jahre Master) – also spätestens Ende 2022 – eine Obliegenheit zur eigenen Erkundigung hätte aufdrängen müssen.

  • Niedrigschwellige Nachfrage: Der Vater hätte sich aktiv über den Stand des Studiums und die Einkommensverhältnisse des inzwischen fast 30-jährigen Sohnes informieren müssen, beispielsweise mittels eines Auskunftsanspruchs nach § 1605 BGB.

  • Wegfall der Informationspflicht: Durch das Unterlassen dieser eigenen Erkundigung entfiel ab 2023 die ungefragte Informationspflicht des Sohnes. Ab diesem Zeitpunkt hielten sich die Obliegenheiten beider Parteien die Waage, und das Verhalten des Sohnes war nicht länger sittenwidrig.

Das Urteil unterstreicht damit, dass zwar volljährige Kinder eine Bringschuld bezüglich unterhaltsrelevanter Veränderungen haben, die Eltern aber nach Ablauf der üblichen Studienzeit eine Holschuld trifft.

Fazit für die Praxis

Dieses Urteil (Amtsgericht Frankenthal, Beschl. v. 17.09.2025 - 71 F 25/25) sendet ein klares Signal:

  1. Kinder in Ausbildung: Sind verpflichtet, Unterhaltspflichtige ungefragt über den Abschluss der Ausbildung und relevante Einkünfte zu informieren, wenn diese den Bedarf decken oder übersteigen. Das vorsätzliche Verschweigen kann teuer werden.

  2. Unterhaltspflichtige Eltern: Müssen gerade bei älteren, volljährigen Kindern, deren mutmaßliche Regelstudienzeit abgelaufen ist, ihrer eigenen Erkundigungspflicht nachkommen. Wer hier untätig bleibt, riskiert, spätere Überzahlungen nicht mehr zurückfordern zu können.

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